Kon-Tiki - Die Demokratisierung der Pflanzenkohle-Produktion
Industriell hergestellte Pflanzenkohle wird in den nächsten Jahrzehnten vermutlich zu einem der entscheidenden Rohstoffe der biobasierten Wirtschaft werden. Da die Pflanzenkohle aber hauptsächlich in der Elektronik, der Bauindustrie, der Papierherstellung, der Abwasserreinigung und für sonstige neue Materialen im 3D-Druck verwendet werden wird, ist schon heute absehbar, dass industriell hergestellte Pflanzenkohle zu teuer bleibt, um als bloßer Bodenverbesserer oder Güllezusatz in der Landwirtschaft zum Einsatz zu kommen. Die einzige Chance, kostengünstig Pflanzenkohle für den landwirtschaftlichen Einsatz zu erhalten, besteht darin, dass Landwirte und Gärtner ihre eigene Pflanzenkohle aus den eigenen vor Ort anfallenden Reststoffen herstellen und die anfallende Energie nutzen. Nur dann kann Pflanzenkohle am Ende lokaler Nutzungskaskaden auch wieder zum Grundbaustein humusreicher Böden werden.
Im Sommer 2014 führten Hans-Peter Schmidt und Paul Taylor die ersten Versuche durch, um mit dem Feuer und nicht gegen das Feuer Pflanzenkohle herzustellen. Inspiriert von traditionellen Methoden zur Anlage von rauchlosen Feuern in Bodengruben, zeichneten sie den ersten Kon-Tiki aus Stahl, der von Markus Koller geschweißt wurde. Das Grundprinzip besteht darin, in einer nach oben offenen, vom Boden und den Seitenwänden her aber luftdichten Umfassung. Wird nun am Boden durch eine geeignete Anfeuerungstechnik für ein kräftiges Glutbett gesorgt, wird eine nun dünn aufgeworfene Schicht nicht zu feuchter Biomasse, diese Biomasse auf über 600 Grad erhitzt, wobei diese auszugasen beginnt. Dieses nach oben austretende Pyrolysegas entzündet sich an der Glut und sorgt für ein gleichmässiges Feuerbett an der Oberfläche. Das Feuerbett erzeugt die Hitze zur weiteren Ausgasung und verhindert zugleich, dass Sauerstoff in die unteren Schichten eintreten kann. Unter dem Feuer wird folglich bei über 600°C der Pyrolyseprozess abgeschlossen und verhindert, dass die so entstandene Pflanzenkohle abbrennt und verascht. Schicht für Schicht wird nun weitere Biomasse aufgeworfen und am Ende des Prozesses mit Wasser oder Gülle abgelöscht. So entsteht in einem Kon-Tike mittlerer Größe in knapp 3 Stunden ein knapper Kubikmeter vorzüglicher Pflanzenkohle.
Seit den ersten Versuchen wurden verschiedenste Kon-Tiki Formen getestet und optimiert, Emissionen gemessen und die Qualität der Pflanzenkohlen analysiert. So konnte nachgewiesen werden, dass der Prozessl umweltfreundlich, besser als sämtliche anderen traditionellen Verkohlungstechniken, einfach zu beherrschen und sicher ist. Die Qualität der Pflanzenkohle erfüllt alle Anforderungen an das Europäische Pflanzenkohle-Zertifikat (hier eine Beispielanalyse) und die Herstellungskosten pro Tonne Pflanzenkohle sind um ein Vielfaches niedriger als in den bekannten industriellen Verfahren. Somit waren die Voraussetzungen geschaffen, dass jeder Bauer und Gärtner auf der Welt seine Pflanzenkohle selbst herstellen kann.
Das Ithaka Institut hat die Anleitung zum Bau der Kon-Tikis rasch als open source zur Verfügung gestellt und in Veröffentlichungen das Verfahren nachvollziehbar erklärt. Auf diese Weise konnte sich die Technik in weniger als einem Jahr in über 25 Ländern verbreiten. 10 Monate nach der ersten Veröffentlichung werden weltweit bereits in über 500 Kon-Tikis verschiedenster Designs Pflanzenkohle hergestellt und in Verbindung mit organischen Nährstoffen als Bodenverbesserer eingesetzt.
Weitere Informationen über die Funktion, den Bau und die Verbreitung der Kon-Tiki Bewegung finden Sie hier auf der Webseite und den ausführlichen Artikel zur Geschichte des Kon-Tiki im Ithaka-Journal.